Historische Bilder zeigen fast nie lachende Menschen. Wir haben die Leute darauf dazu gebracht – und Experten gefragt, warum Freude auf Kunstwerken kaum Platz hatte.
So würden alte Gemälde aussehen, wenn die Menschen darauf lachten
Die Milas waren hugenottischer Abstammung. Ihr Haus war nach Angaben des Katalogs Treffpunkt für Künstler*innen und Intellektuelle. Das Bild zeigt Mila in ihrer Wohnung in Berlin Mitte.
Im Ausstellungskatalog heißt es, dass sich Feuerbach in seinen Selbstporträts gerne inszenierte: etwa als Kavalier, Jäger oder Kaffeehausbesucher. Dieses Bild ist eine Ausnahme: Es zeigt Feuerbach in einfachem Malerkittel und kühlen Farben.
Der Hauptmann von Stierle-Holzmeister hatte den damals 28-jährigen Waldmüller damit beauftragt, seine Mutter zu malen. „Aber malen Sie mir sie genau so, wie sie ist”, erinnert sich der Maler in einer Abhandlung über seinen künstlerischen Werdegang. Im Katalog heißt es: „Schönheit bietet dieses unbequeme Bild in seiner Farbigkeit, in den überaus feinen Übergängen der Modellierung zumal des Fleisches, […].”
Der in Berlin geborene Maler beschäftigte sich nach Aufenthalten in Frankreich und Holland von 1890 an mit dem französischen Impressionismus. Das 1907 entstandene Bild zeigt den Ingenieur und Gründer der AEG.
Gussows Bilder passten nicht so recht in die damalige Zeit. Seine fast fotografischen Bilder wurden bewundert wie empört abgelehnt, heißt es im Katalog. „Hedwig Woworsky war das einzige Kind des ältesten Sohnes von Carl Justus Heckmann, des Begründers einer der bedeutendsten Industriellenfamilien des 19. Jahrhunderts in Berlin. Der Aufstieg der Familie begann mit der Entwicklung von Destillierapparaten von Kartoffelschnaps.”
Das Porträt Rayskis zeigt den elfjährigen Haubold von Einsiedel, Sohn eines Mundschenks. Im Audioguide des Museums heißt es, dass der lockere Farbauftrag ungewöhnlich für die damalige Zeit war. Rayski malte vor allem für adlige Familien.
Menzel porträtierte nur Menschen, die er kannte. Das biedermeierliche Bild zeigt die ältere Tochter seines Mentors und Freundes Carl Heinrich Arnold. Mit diesem Werk war er jedoch nicht zufrieden. Menzel schrieb an Friederikes Vater, dass er es bitte sehr hoch aufhängen möge.
Mit zwölf Jahren wurde Henriette Herz mit dem 17 Jahre älteren Arzt Marcus Herz verlobt. Zwei Jahre später heirateten sie. Herz sammelte schnell einen Kreis junger literaturinteressierter Männer und Frauen um sich, wo Rang oder Titel keinen Unterschied machten. Über das Bild heißt es im Katalog: „Graff, […] hat sie mit diesem Bildnis gut erfasst. Sie füllt den ihr gegebenen Raum ganz aus, ohne gefällige Wendung hat sie ihr Haupt erhoben, die Augen schauen den Betrachter ruhig und direkt an.”
Der Münchner Maler zeigte sich in seinen Selbstporträts gerne als stark und unantastbar. Ein Schlaganfall im Jahr 1911 änderte sein Selbstbild. Auf dem vorliegenden Bild schauspielert Corinth nicht. Er zeigt sich so, wie er ist – gezeichnet von Kriegsjahren. Das Bild schenkte er seiner damals zehnjährigen Tochter Wilhelmine.
Das Bild des französischen Künstlers Renoir zeigt seine 20-jährige Geliebte Lise Tréhot. Renoir ließ sich im Alter von 13 Jahren zunächst als Porzellanmaler ausbilden, ehe er an der École des Beaux-Arts studierte. Von etwa 1865 bis 1871 war Lise die Geliebte Renoirs und stand für mindestens 17 Figurenbilder Modell.
Der in Aachen geborene Maler Arthur Kampf hat hier seinen dreijährigen Sohn Otto Gerhard porträtiert. Im Sammlungskatalog der Alten Nationalgalerie heißt es, dass „Knabe in Rot” eines der besten Werke des Künstlers sei – weil es die Anspannung und Stimmung des Jungen so gut einfange.
Selbst Kinder hatten nichts zu lachen auf Bildern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das Bild Knabe in Rot des Künstlers Arthur Kampf zeigt seinen dreijährigen Sohn. Sein Blick starr, der Mund geschlossen. Der Gesichtsausdruck steht stellvertretend für Bilder aus dieser Zeit. Gelacht wird nicht, gelächelt sehr selten.
Wir wollten herausfinden, was es mit den Gesichtern macht, wenn wir ihnen nachträglich ein Lachen verpassen. Dafür haben wir einige Kunstwerke aus der Alten Nationalgalerie in Berlin fotografiert und mit der Face-App bearbeitet. Die Idee dazu stammt ursprünglich von Olly Gibbs, einem Designer aus London, über den unter anderem The Poke berichtet hat.
Was haben Fotos für amtliche Dokumente und Gemälde gemeinsam?
Doch warum lacht so selten jemand auf historischen Bildern? Wir haben einige Experten befragt. Einer von ihnen ist Andreas Beyer, Professor für Kunstgeschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Basel. „Kunst ist eine ernste Sache“, sagt er.
Er hat eine Erklärung für den Ernst auf den Bildern – und die hat mit einem ziemlich bekannten Phänomen zu tun. Wer seinen Gesichtsausdruck auf dem Personalausweis ansieht, wird erkennen, was Beyer meint. Auf Porträtfotos ist Lächeln sogar verboten. „Lachen verzerrt das Gesicht“, sagt Beyer. Auf Gemälden wie auch in Pässen gehe es aber um Wiedererkennbarkeit. Die Bilder der Künstler*innen waren auf Dauer angelegt, sie sollten keine Deformationen zeigen.
Der Kulturwissenschaftler und Lachforscher Rainer Stollmann stützt diese These. Lachen sei ein krampfhafter Prozess, der sich schlecht malen lasse und auf Bildern nicht schön aussehe, ebenso wie singende Menschen mit offenen Mund.
Eine weitere Begründung für die vielen ernsthaften Menschen auf den Bildern damaliger Zeit: „Wenn es sich um erhabene Kunst handelt, also Porträts von Staatsmännern, reichen Kaufleuten, dann wird gern Unnahbarkeit gemalt – Lächeln aber ist Nähe, Offenheit“, sagt Stollmann. Erst die Massenwarengesellschaft würde permanent lächeln, aus Verkaufsgründen.
Der Dandy lacht nicht und lächelt nicht.
Charles Baudelaire, 1821-1867
Wie sie lacht
Doch auch damals gab es Lachen in der Kunst. Es war jedoch nicht Zeichen der Freude, sondern ernsthafter Probleme. „Wenn mal gelacht wurde, dann war es eine Warnung“, sagt Kunsthistoriker Beyer und nennt etwa das Bild Malle Babbe des niederländischen Künstlers Frans Hals aus dem 17. Jahrhundert. Darauf abgebildet ist die sogenannte verrückte Barbara mit einem Bierkrug. Sie lacht. „In der holländischen Bildtradition ist Lachen oft gleichzusetzen mit Trunksucht“, sagt er.
Das Lachen in der Kunst – offenbar ein sehr ernstes Thema.